Hallo Markus!
MarkusP hat geschrieben:Gibt es einen besonderen Grund für a) das Verzichten auf eine Konstantstromquelle...
Für diese Wahl gibt es zwei Gründe:
Der technische Aspekt:
Eine Konstantstromquelle soll einen sehr hochohmigen Emitterwiderstand "simlulieren", der mit einem ohmschen Widerstand nur bei einer sehr hohen Betriebsspannung möglich wäre. Bei +/-25V Betriebspannung kann ich einen relativ großen Emitterwiderstand verwenden, hier sind es 47kOhm. Das ist natürlich weniger als die x Megaohm einer Konstantstromquelle, liegt aber bereits in einem komfortablen Bereich. Bei dieser Betriebspannung erhalte ich trotz eines großen Emitterwiderstands eine hohe Aussteuerbarkeit.
Mit einer Konstantstromquelle kann man temperaturbedingte Differenzen, (z.B. Arbeitspunktverschiebungen) zwischen den beiden Transistoren kompensieren, das brauche ich aber nicht, da die verwendeten MATx2-Transistoren bereits thermisch gekoppelt sind und über fast identische Kennlinien verfügen.
Es gibt Argumente für die Konstantstromquelle, aber kein Muss-Argument, daher war der andere Grund entscheidender:
Der klangliche Aspekt:
Wir haben einen sehr unwissenschaftlichen Test durchgeführt und im Studio mehrere Schaltungen verglichen. Auf Lochrasterplatinen habe ich einige Variationen ausprobiert. Vielleicht haben wir es uns eingebildet, vielleicht gab es aber wirklich einen Unterschied, der die Schaltung mit der jetzigen Konfiguration lebendiger klingen ließ.
Zu dem Zeitpunkt der Prototyp-Versuche war die Schaltung noch mit einem Tamura-Eingangsübertrager und einem Pikatron-Ausgangsübertrager ausgestattet. Das war klanglich eine gute Wahl aber die Nachschubsicherung sprach eher für ExpEl und Haufe - schließlich will Volker auch was verkaufen und Projekte, für die man kaum Übertrager beziehen kann, verkaufen sich nur suboptimal. Die Entscheidung, Haufe und ExpEl zu verwenden, bereue ich jedenfalls nicht, denn die Schaltung klingt mit diesen Übertragern wirklich gut - jedenfalls nach meiner subjektiven(!) und voreingenommenen(!) Einschätzung.
Ach ja, zurück zur Konstantstromquellen und Differenzverstärkern. Fazit: Für einen guten Klang entferne ich mich gerne vom Lehrbuch.
Es war nie mein Anspruch, einen akademisch sauberen Vorverstärker mit klinisch-sterilem Klang zu bauen, dann hätte ich zwei ICs von ADI oder THAT hintereinander geschaltet, auf die Übertrager verzichtet und hätte damit vielleicht sogar bessere Messwerte erhalten. Beispiel: SSM2019+SSM2142.
Mein Anspruch ist es, einen gut klingenden Vorverstärker zu bauen, auch wenn vielleicht der Klirr oder das Rauschen über dem theoretischen Minimum liegen. Daher wurden die sich wiederholenden Abstecher in das Studio eines Freundes zum Probehören zusammen mit anderen Ohren durchgeführt.
MarkusP hat geschrieben:...und b) für die Eintakt-Ausgangsschaltung?
Hier gibt es nur einen einzigen Grund: Klang.
Der A-Betrieb (Eintakt) sorgt für gerade Harmonische, die den Klang sehr warm färben. Der AB-Betrieb (Gegentakt) hätte mit Sicherheit einen niedrigeren Stromverbrauch bedeutet, wäre aber auch mit allen negativen Seiteneffekten behaftet: Ungerade Harmonische und Überreste von Übernahmeverzerrungen, die sich leider nur fast ausblenden lassen, indem man die "Zuständigkeitsbereiche" der beiden Transistoren möglichst weit übereinander legt, dann nähert man sich aber dem doppelten A-Betrieb und der liefert trotzdem weiterhin ungerade Harmonische.
Natürlich reden wir hier am Ende nur über kleinste Verzerrungen, schließlich ist eine starke Rückkopplung involviert. Den Klang würde ich weiterhin als sehr sauber bezeichnen, aber definitiv nicht steril oder kühl.
Beim Klangvergleich ging der Mosfet im Eintaktbetrieb als Gewinner hervor. Wenn ich es hören kann (oder mir einbilde), dass eine bestimmte Schaltung besser klingt, dann ist die Wahl entsprechend entschieden.
Leider steht mir kein perfekt ausgestatteter Messplatz zur Verfügung, ich kann meine Schaltungen nur a) rechnerisch und b) klanglich optimieren, wobei mir bei solchen Geräten wie dem Vorverstärker hier der zweite Aspekt wichtiger erscheint.
Bei Entscheidungen, die sich mit den Ohren nicht treffen lassen, muss Volker zum Messen ran, dann werden die Messwerte als Entscheidungskriterium herangezogen. Momentan haben wir so einen Fall, zwei Konfigurationen von Kondensatorwerten buhlen um die Aufnahme in die finale Version der Schaltung. An zwei Tagen in dieser Woche haben wir die beiden Konfigurationen gehört und konnten keinen eindeutigen Gewinner ermitteln, daher werden an dieser Stelle wohl die Messwerte entscheiden.